Wanja
Ein Sarplaninac aus dem Tierheim
von Helmut Scholtes
Wanja's Geschichte beginnt in zweifacher Hinsicht eher traurig
Alles fing damit an, dass Oskar unser Bouvier / Deutsch Drahthaarmix(????) wegen
Knochenkrebs eingeschläfert werden musste.
Dies war der erste traurige Anlass, der andere ergibt sich aus Wanja's
Geschichte, bevor sie bei uns einzog.
Es stand vom Moment der Diagnose bei Oskar an fest, das ein Leben ohne Hund ist
nicht mehr möglich und auch nicht schön sein würde.
Also ging ich schweren Herzens los um einem Tierheimhund ein neues Zuhause zu
bieten.
Es gab nur wenig, was wir von Oskars Nachfolger erwarteten, nur sollte es wieder
ein Hund sein, der nicht zu unruhig und auch nicht zu groß ist oder wird.
Ich betrat das Tierheim, schon vom Eingang aus viel mir ein Hund auf, der am
anderen Ende der Anlage in ihrem Zwinger lag und während alle anderen Hunde
meine Ankunft stürmisch und bellend begrüßten, beobachtete er alles was geschah
genau und lies sich nicht aus der Ruhe bringen.
Nun eigentlich suchte ich ja nach einem Hund in der Größe eines Kleinen
Münsterländlers oder ähnlichem und so ging ich erst einmal an ihm vorbei.
Nachdem aber bei den kleineren Hunden nichts meine wenigen Erwartungen, die ich
an unseren neuen Hausgenossen stellte, erfüllte, richtete sich mein Interesse
sehr schnell wieder auf den recht großen, grauen Hund in seinem Zwinger.
Ein Gespräch mit einem Tierheimmitarbeiter brachte folgende Erkenntnisse, es ist
eine Hundedame Namens Wanja und sie ist sehr ruhig und eher distanziert zu dem
was um sie herum geschieht.
Es war Liebe auf den ersten Blick und auch Wanja lies sich tatsächlich dazu
bewegen einmal mit dem Schwanz zu wedeln, als ich sie durch den Zaun ansprach
und mich zu ihr hinkniete.
Das erste Kennen lernen fand dann bei einem Spaziergang rund um das Tierheim
statt und schnell fiel mir auf, das Wanja wohl, trotz ihrer damals 15 Monate
noch nicht sehr viel Erfahrungen hatte machen können, selbst uns
entgegenkommende Spaziergänger ließen sie Schutz hinter mir suchen und auch
Geräusche die nicht klar irgendetwas zuzuordnen waren, ließen sie in ihrer
Bewegung erstarren.
Nach dem Spaziergang gab es dann Fressen und trotz allen Respekts den ich vor
Wanjas Größe hatte, fütterte ich sie gleich einmal aus der Hand, die Art, wie
vorsichtig sie das Futter aus meinen Fingern nahm, machte meine Entscheidung
fast schon 100%ig, allerdings konnte ich dies ja nicht alleine Entscheiden.
Für den draufkommenden Sonntag vereinbarte ich mit der Tierheimleiterin ein
Kennen lernen mit der gesamten Familie.
Sie sollte erst einmal für einen Tag zu uns kommen um zu sehen, wie sie sich im
Haus schickte, sollte dies einigermaßen funktionieren, würde sie auch gleich
noch die Nacht bei uns verbringen dürfen und dann sollte sie erst einmal wieder
ins Tierheim zurück und weitere Besuche sollten folgen.
Für uns stand aber von vorneherein fest, sollte es auch nur annährend
problemlos gehen, dann würde Wanja nie wieder ins Tierheim zurück müssen.
Natürlich blieb sie, so wie sie mein Herz schon in der ersten Sekunde erobert
hatte, so schnell eroberte sie auch die ganze Familie.
Die folgenden 3 Jahre waren für uns und Wanja ein aneinander gewöhnen, aus
Wanjas Sicht vor allem auch ein Aufbau an Vertrauen und das Erlernen, das sie
nicht vor allem Angst haben musste.
Schon das anheben der Stimme, eine hastige und unbedachte Handbewegung brachten
sie sogleich in eine Demutshaltung und ließen ihn sich in eine Ecke
zurückziehen, an irgendwelche Erziehungsversuche war nicht zu denken, ebenso
wenig an ein laufen ohne Leine.
Jeder Versuch sie doch einmal ohne Leine laufen zu lassen hatte sehr lange
Versuche zur Folge, sie wieder anleinen zu können, es konnten manchmal einige
Stunden vergehen, denn Wanja genoss nichts mehr als ihre Freiheit auszunutzen
und sich irgendwo, zwar noch in Sichtkontakt zu uns hinzulegen und jede
Annäherung unsererseits mit einer Flucht zu quittieren.
Mit viel Geduld haben wir uns zusammen gerauft, haben Hürde um Hürde abgebaut
und seit etwa Sommer 2000 konnte man immer mehr Veränderungen an ihrem Verhalten
feststellen, sie kommt seitdem von sich aus zum Schmusen, sucht auch sonst viel
häufiger unsere Nähe, lässt sich, wenn auch nur sehr ungern, doch auch bürsten.
Allerdings hat sich durch dies Annäherung an uns auch ihr Schutztrieb gewandelt,
unser Haus, der Raum unmittelbar davor und auch die zur Familie gehörendem
Autos, werden sehr streng geschützt, wer sich nähert, sieht sich einem laut und
drohend bellenden Hund gegenüber, der so lange keine Ruhe mehr gibt, bis er den
Eindringling vertrieben hat oder der Eindringling von uns als gewünscht erklärt
wird.
Wer zu uns zu Besuch kommt wird einer strengen Untersuchung unterzogen, ist er
genehm, darf er Wanja sogar streicheln und kann sich, zwar argwöhnisch von ihr
beobachtet, aber doch recht frei im Haus bewegen.
Besucher die zwar keine Angst zeigen, aber die Wanja nicht einzuordnen weiß, die
werden auf Schritt und Tritt verfolgt.
Bei Besuchern die ganz offen ihre Angst zeigen, ist Wanja sehr aufmerksam und
können sich wirklich nur in unserem Beisein im Haus bewegen.
Diese ersten 3 Jahre waren auch
für uns ein langer Lernprozess, denn im
Tierheim bekamen wir nicht sehr viele und wie sich herausstellte leider auch
nicht wirklich hilfreiche Informationen zu der uns völlig unbekannten Rasse.
Was wir am Anfang wussten, war sie ist ein Sarplaninac (oder so ähnlich), stammt
ursprünglich aus Jugoslawien, wo die Rasse als Hirtenhund eingesetzt wird.
Alle weiteren Informationen die wir bekamen im Lauf der zeit herausbekamen,
waren, sie ist ihrem "Züchter" (ich würde so was eher als Vermehrter bezeichnen)
abgenommen worden, da die Haltungsbedingungen nicht stimmten, kam als tragende
Hündin ins Tierheim und brachte 5 nicht lebensfähige Welpen zur Welt.
Weitere Informationen aus dem Tierheim waren sie ist noch nicht stubenrein,
macht sich auf Spaziergängen nicht sauber, sondern erledigt dies dann im Haus.
Dies war ein Grund warum sie schon einmal vermittelt war, aber sehr schnell
wieder ins Tierheim zurück kam.
Was folgte war eine lange, meist recht erfolglose Suche nach Informationen zur
Rasse, zu deren Eigenschaften und Verhaltensmerkmalen.
Erst als wir mehr durch einen Zufall auf die Anzeige einer Züchterin stießen und
diese uns den Kontakt zum die Rasse betreuenden Verein vermittelte, bekamen wir
die so wichtigen Informationen, wie wir uns Wanja nähern konnten.
Die Erziehung war für uns eine vollkommen neue Erfahrung und die
offensichtlichen Schwächen in ihrer Prägephase erforderten manchen Kompromiss
und manchen Abstrich an die Erwartungen, die wir bislang an einen Hund stellten,
trotzdem würde wohl niemand mehr von uns Wanja hergeben wollen
Heute ist sie ein geworden Hund, der zwar nicht immer perfekt hört, sich dank
unserer Inkonsequenz auch so manche Freiheit herausnimmt, den man aber überall
hin mitnehmen kann und der von jedem der sie draußen erlebt als braver recht
einfacher Hund angesehen wird.
Man kann sie eigentlich mit jedem anderen Hund zusammenlassen, sie fährt
leidenschaftlich gern Auto, wartet auch einmal geduldig, wenn sie mal irgendwo
nicht mit hin kann auf unsere Rückkehr.
Sie läuft mittlerweile auch überall da wo dies ohne Belästigung anderer oder
ohne Gefahr für sie selbst möglich ist ohne Leine.
Da sie heute ohne Leine Laufen kann, haben wir aber nicht ohne Hilfe einer guten
Hundeschule erreicht, die nicht das Ziel darin sah, dem Hund absoluten Gehorsam
beizubringen, sondern vielmehr uns zeigte wie wir mit den positiven und
negativen Eigenschaften von Wanja zurechtkommen und bei der Wanja sicher weniger
gelernt hat als wir.
Im Jahr 2002 musste sich Wanja auf einmal mit der Situation abfinden das ein 9
Monate alter Junge, seine Mutter, sowie ein Kuvasz Rüde in der Pflegelphase zu
ihrem Rudel stießen.
Anfangs hatte ich schon meine Bedenken, wie Wanja wohl reagieren wird, hatte
Angst sie könnte insbesondere den Jungen nicht akzeptieren.
Aber es war für mich wirklich faszinierend, wie selbstverständlich, vorsichtig
und zurückhaltend sie reagierte, wenn ihr die Nähe einmal zu groß wurde oder
aber sie sich sonst wie unwohl fühlte, dann ging sie dieser Situation ganz
einfach durch Rückzug aus dem Weg.
Allgemein lässt sich zu Wanjas Verhalten sagen, das sie allem, was ihr fremd ist
oder was sie nicht einordnen kann, erst einmal distanziert gegenübertritt,
abwartet was sich da entwickelt und meist dann sehr vorsichtig Kontakt aufnimmt,
wenn man ihr die notwendige Zeit lässt.
Das schönste bei Wanja aber ist, das wir und sie noch jeden Tag wieder ein klein
wenig mehr voneinander und miteinander lernen, und ich hoffe das dies auch noch
sehr lange so bleiben wird.
Am 18. Juni 2003 stellte ich an Wanjas Unterkiefer im Bereich zwischen Kiefer
und Lippe eine Wucherung fest, etwa so als habe sie dort eine Insektenstich oder
sich beim Grasfressen verletzt und es habe sich entzündet, diese Stelle wuchs
sehr schnell, was mich dazu veranlasste zum Tierarzt zu gehen.
Die Diagnose lautete leider auf Krebs und am 2.Juli 2003 musste ihr dann etwa
3cm des Unterkiefers und das Kinn entfernt werden, das ist dann der gesamte
Bereich bis hinter die unteren Fangzähne.
Der Tumor hatte e schon das Zahnfleisch im Bereich der unteren Schneidezähne
befallen, zum Glück aber nicht den Kieferknochen selber.
Für mich ist es absolut erstaunlich wie schnell Wanja nach dieser schweren OP
wieder anfing zu fressen und selbst Knochen stellen heute schon kein Problem
mehr für sie dar.
Seit dem 11. Juli 2003 erhält Wanja nun eine Chemotherapie mit Doxorubicin 50
Hexal ® Lösung und einer anschließenden Spülung mit Sterofundin VG-5, jede
Sitzung dauert ca. 2 Stunden, wobei die Chemotherapie etwa 1,5 Stunden
intravenös läuft und die Spülung ca.20 - 25 min.
Genau wie die OP und auch die Narkose verträgt Wanja die Chemotherapie bislang
sehr gut, allerdings hat sie bislang auch erst eine Sitzung hinter sich, die
nächste erfolgt immer im Abstand von 21 Tagen, geplant sind etwa 8 - 10
Sitzungen.
Dank der sehr guten Vorbereitung unseres Tierarztes auf die OP und die
anschließende Behandlung ist auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen, das
Wanja ein künstlich aufgebautes Kinn hat und ihr die vorderen Zähne fehlen und
sowohl der Tierarzt wie auch ein befreundeter Onkologe machen mir große
Hoffnungen das Wanja den krebs überwunden hat, denn der Tumor zählt zum Glück zu
einer nicht streuenden Sorte.
Weitere Infos über Wanja findet man hier:
www.sarplanici.de