Emily
aus dem Tierheim Seelscheid
von Monika Workert
Mein Name ist Emily und ich bin ein ganz hübsches Kangalmischlingsmädchen. Auf
die Welt soll ich am 13.1.2002 in der Region Kayserie in der Türkei gekommen
sein. Im zarten Alter von 6 Wochen hat man mich von meiner Mama getrennt und
nach Antalya gebracht. Dort hat mich ein Hotelmensch an die Kette gelegt. Das
muss man sich mal vorstellen. 6 Wochen alt, von Mama getrennt und dann keine
liebevollen Worte oder etwa Streicheleinheiten, sondern einfach eine Kette um
den Hals. Nach 4 Wochen war mein Käufer (anders kann man so was nicht nennen)
meiner schon wieder überdrüssig und ich wurde von Tierschützern freigekauft und
zu ganz lieben Leuten, die ein Tierheim hatten, gebracht. Dort war ich einige
Wochen, dann wurde ich von deutschen Tierschützern per Flugzeug mit nach
Deutschland
genommen. Hier kam ich in die Obhut des Tierschutzes
www.seelscheid.de. Ich wurde in einer
privaten Pflegestelle untergebracht, wo ich mit Katzen und kleineren Hunden
zusammenlebte. Da bekam ich auch die nötigen Streicheleinheiten und lieben
Worte, die ich am Anfang meines Lebens in der Türkei so sehr vermisst hatte. Und
es war immer was los, mir wurde nie langweilig.
Einmal in der Woche kamen fremde Menschen um ev. einer Katze oder einem Hund ein
neues Zuhause zu geben. Einige von uns wurden auch im WDR Fernsehen in der
Sendung „Tiere suchen ein Zuhause“ vorgestellt.
Aber da ich mich auf dieser Pflegestelle wohlfühlte, war ich gar nicht so
erpicht auf einen neuen Platz. Ich war jetzt 4 Monate alt, die „Größte“ in jeder
Hinsicht und versuchte schon ab und an mich als Chefin aufzuspielen.
Eines Tages kamen Menschen, die mich mitnahmen. Leider hatten die schon eine
Deutsche Schäferhündin daheim und die wollte nicht so recht auf mich hören. Das
wiederum gefiel den Leuten nicht und so haben sie mich schon am nächsten Tag
wieder zur Pflegestelle zurückgebracht. Das war wohl mein Glück. Vielleicht wäre
es doch schön, seine eigenen Menschen zu haben? Immerhin hatten sie mich in den
24 Stunden umgetauft. Ich hieß jetzt nicht mehr Bonbon sondern Emily.
Dann, ich war gerade 6 Monate alt, kamen eines Tages wieder Menschen, die nur
meinetwegen gekommen waren. Sie hatten über ein paar Umwege von mir erfahren.
Dem Mann habe ich gleich
mal kräftig Küsschen gegeben und er fand das herrlich. Aber ich war ja ein
schlaues Mädchen und dachte mir, wenn die zwei schon zusammen kommen, muss ich
der Frau auch Küsschen geben. Außerdem hatten sie jede Menge Leckerchen dabei.
Die beiden sind dann eine kleine Runde mit mir spazieren gegangen. Anscheinend
hatten sie es sehr eilig, dann ging nämlich plötzlich alles sehr schnell.
Schwupps saß ich im Auto, wurde angeschnallt und los ging es. Wohin nur?
Zwei mal wurde mir unterwegs furchtbar schlecht und ich benutzte das Auto als
Spucknapf. Diese Menschen haben aber gar nicht geschimpft, sondern mich
getröstet und alles wieder sauber gemacht.
Nach
langer Fahrt waren wir endlich am Ziel. Ich durfte aus dem Auto, aber
komischerweise nicht ins Haus. Sollte ich wieder an die Kette gehängt werden?
Herrchen ging aber erst mal mit mir ein Stück spazieren und plötzlich kam auch
mein neues Frauchen wieder an. Sie hatte einen riesigen weißen Hund dabei – mein
zukünftiger Gefährte wie ich da erfahren habe. Mir wurde erklärt, dass das ein
Kuvasz sei, er heiße Boga und ich hätte mich mit ihm gefälligst zu vertragen.
Jetzt wusste ich auch, wieso die Menschen so schnell wieder nach Hause wollten.
Boga war gleich sehr freundlich zu mir, er hat sich sehr gefreut mich zu sehen
und so sah ich eigentlich kein Problem darin, freundlich zu ihm zu sein. Nach
der ersten Begrüßung durfte ich mit Boga in den Garten meiner neuen Menschen.
Einfach herrlich, es war kein Garten, es war eine Baustelle, was für uns Hunde
ja viel interessanter ist als ein gepflegter Garten. Als erstes bin ich in einen
1,20 m tiefen Graben
gesprungen, was helle Aufregung bei meinem neuen Frauchen hervorgerufen hat. Sie
dachte ich würde da nicht mehr rauskommen. Da hat sie sich aber geirrt.
Irgendwann, nachdem ich alles in rasendem Tempo erkundet hatte, hat mich mein
Frauchen eingefangen, was gar nicht so einfach für sie war, weil ich einfach
nicht verstanden habe, was sie von mir wollte. Aber es war ein irrer Spaß für
mich. Jedenfalls war ich danach todmüde von den vielen Aufregungen (Frauchen
auch).
Am nächsten Tag begann der Ernst des Lebens. Ich hatte schon begriffen, dass der
weiße Riese der Boss war. Trotzdem habe ich immer wieder versucht, mich in den
Vordergrund zu spielen. Das hat mir aber mehr Missachtung als Beachtung
eingebracht. Ganz verstanden habe ich das nicht. Also habe ich einfach das
getan, was ich für richtig hielt und was mir Spaß machte – ich habe den weißen
Riesen geärgert, attackiert, habe versucht ihn mit all meiner Kraft, und das war
schon einiges, umzurennen. Frauchen hat das überhaupt nicht gefallen, mir dafür
umso mehr, bis ich endlich merkte, dass sich da etwas anbahnte und ich glaubte,
diese Menschen
wollten
mich auch wieder zurückbringen. Zum Glück haben sie noch mal drüber geschlafen
und mir gesagt, dass ich noch eine Chance erhalten solle. Ich sollte lernen,
meinen „großen Bruder“ anständig zu behandeln. Das war das Wichtigste. Dass ich
ins Wohnzimmer gepinkelt hatte, das war nicht so schlimm. Ich habe schnell
begriffen, dass dafür der Garten und die Spaziergänge da waren.
Das anständige Benehmen fiel mir schon wesentlich schwerer und immer haben
Herrchen und Frauchen Boga in Schutz genommen. Boga war ja immer sehr lieb zu
mir, er hat ganz selten mit mir geschimpft. Nur manchmal hat er ein wenig
geknurrt, wenn ich zu draufgängerisch war. Eigentlich hat er mir ganz schön viel
erlaubt. So langsam habe ich dann auch begriffen, warum ich ihn nicht umrennen
durfte. Seine Hinterläufe waren nicht so gesund und manchmal hatte er halt
Schmerzen.
Mein Frauchen ist die erste Zeit auch mit mir in eine Hundeschule gegangen. Aber
das war nicht ganz so mein Fall.
Inzwischen bin ich 3 Jahre alt und gerade mal dabei, erwachsen zu werden. Mein
Vorbild und bester Freund Boga hat uns leider vor
einem halben Jahr verlassen. Aber wir werden ihn nie vergessen.
Inzwischen habe ich mich auch erinnert, was Boga so alles angestellt hat, wenn
er etwas von seinen Menschen wollte und mache es genau so. Herrchen und Frauchen
freuen sich, was ich inzwischen für eine feine ausgeglichene Maus geworden bin,
auch wenn ich manchmal noch über die Stränge schlage und z.B. im Rasen buddle,
der ist eigentlich tabu zum buddeln - die übrigen Gartenfläche darf ich
allerdings umgraben -oder wenn mein Temperament mit mir beim Spazieren gehen
durchgeht und mich der Jagdtrieb packt.
Aber bei einem bin ich mir inzwischen ganz sicher – hier muss ich nie wieder
weg. Deshalb werde ich für den Rest meines Lebens versuchen, meinen Menschen
noch viel Freude bereiten.
Emily